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«Gute Qualität ist nur möglich, wenn die Bauern zufrieden sind»

Aldi Suisse senkt die Fleischpreise. CEO Jérôme Meyer erklärt im Interview, wie er zur Landwirtschaft steht und warum die Bauern hart bleiben sollen.

Das Interview ist erschienen in der Bauernzeitung.

Im Interview erklärt Jérôme Meyer, Chef von Aldi Suisse, die Gründe für die Senkung der Frischfleischpreise, die den Konsum von Schweizer Fleisch fördern und den Einkaufstourismus ins Ausland verringern sollen. Er betont, dass die Bauern nicht die Leidtragenden dieser Massnahme sein sollen, und versichert, dass Aldi weiterhin faire Preise an die Produzenten zahlt.Langfristige Partnerschaften, Transparenz und nachhaltige Landwirtschaft stehen im Fokus von Aldis Strategie. Zudem sieht Meyer das Potenzial, durch günstigere nachhaltige Produkte die Nachfrage zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Bauern zu unterstützen.

Herr Meyer, Sie haben mit der Botschaft von Ende August, dass Sie die Preise für Frischfleisch senken, einen regelrechten Sturm ausgelöst. Welches Ziel verfolgen Sie mit dieser Massnahme?

Jérôme Meyer: Aldi Suisse hat die Preise für Frischfleisch gesenkt, um Schweizer Fleisch für Konsumenten erschwinglicher zu machen. Wir wollen die Nachfrage nach qualitativ hochwertigem Fleisch aus tiergerechter Haltung steigern. Wenn Fleisch aus nachhaltiger Produktion zu teuer ist, untergräbt dies jede Initiative für nachhaltige Landwirtschaft. Es ist Teil der Verantwortung des Unternehmens, den Einkaufstourismus ins Ausland zu reduzieren, da viele Schweizer aus Preisgründen im Ausland Fleisch kaufen.

Dieses Vorgehen hat zu diversen Reaktionen geführt. Die Konkurrenz reagiert und die Bauern bekunden ihre Angst, dass sie die Leidtragenden sein werden. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Die Bauern dürfen nicht die Leidtragenden sein. Im Gegenteil, mit unserer Fleischpreissenkung möchten wir verhindern, dass künftig weniger hochwertiges Schweizer Fleisch abgewertet wird. Es ist wichtig, dass die Produzenten hart bleiben, auf ihre Preise und Qualität bestehen. Dafür sollten die Mitbewerber bei sich nach Einsparungspotenzial suchen. So, wie es Aldi macht.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass genau das nicht passiert?

Wir haben unsere Lieferanten zu uns eingeladen, um ihnen in einem persönlichen Gespräch zu versichern, dass sie den vereinbarten Preis weiterhin erhalten werden. Dies haben wir ihnen auch schriftlich bestätigt, was sehr gut ankam.

Warum sollten Schweizer Bauern für Aldi Suisse produzieren?

Die Zusammenarbeit mit Aldi Suisse bietet eine sehr positive Entwicklung. Mit uns kann man wachsen. Wir sind offen für neue Wege und haben keine starren Konzepte. Wir respektieren die Arbeit der Landwirte sehr und wissen, dass die Herausforderungen immer grösser werden – sei es durch den Klimawandel, Landverlust oder den eingeschränkten Einsatz von Spritzmitteln.

Welche konkreten Vorteile bietet Aldi Suisse den Schweizer Bauern im Vergleich zu anderen Abnehmern?

Wir nehmen die Anliegen der Bauern sehr ernst. Wenn wir das den Bauern zeigen können, dann haben wir es geschafft. Gute Qualität ist nur möglich, wenn die Bauern zufrieden sind. Erfahren wir Preisdruck am Markt, geben wir diesen, wenn immer möglich, nicht weiter. Der Landwirt kann nichts dafür und sollte nicht zusätzlich belastet werden.

Wie stellen Sie das sicher?

Indem wir langjährige Partnerschaften mit den Schweizer Landwirten eingehen. Wenn wir eine Vereinbarung treffen, halten wir uns daran und verhandeln nicht nach. So schaffen wir eine solide Vertrauensbasis.

Sehen Sie es als Handicap, dass Aldi Suisse deutsche Wurzeln hat?

Wir sind eigenständig und Schweizer durch und durch. Es bereitet uns Mühe, wenn wir als deutscher Discounter wahrgenommen werden. Wir haben in der Schweiz ein Schweizer Geschäft aufgebaut, mit tieferen Verteilkosten und einem auf den Schweizer Markt abgestimmten Sortiment.

Und dennoch bringt man Aldi mit Deutschland in Verbindung. Haben Sie Bedenken, dass dies die Zusammenarbeit mit Schweizer Bauern erschwert?

Aus meiner Sicht haben die Schweizer Bauern längst verstanden, dass Konkurrenz im Detailhandel gut ist. Ein Duopol ist ungesund. Wir sind seit 20 Jahren am Markt und bringen Bewegung in den Wettbewerb. Es ist für die Bauern wichtig, sich von diesem Duopol, das den Schweizer Markt lange geprägt hat, zu distanzieren.

Wie stellen Sie sicher, dass die von Schweizer Bauern gelieferten Produkte zu fairen Preisen abgenommen werden, die ihre Produktionskosten decken und ihnen ein angemessenes Einkommen sichern?

Qualität hat ihren Preis und wir zahlen den richtigen Preis. Wir arbeiten mit den besten Landwirten, um sicherzustellen, dass unsere Produkte von höchster Qualität sind. Wir suchen nicht nach Schnäppchen und wollen auch nicht auf Qualität verzichten. Langfristige Partnerschaften sind unser Ziel. Ein landwirtschaftliches Erzeugnis hängt von der Natur ab, und wir respektieren das.

Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, niedrige Preise für Konsumenten anzubieten, ohne dabei den Druck auf die Bauern zu erhöhen, ihre Produktionskosten weiter zu senken?

Ich empfehle jedem, der für Aldi arbeitet, mit jenen zu sprechen, die nicht für Aldi arbeiten, um die Unterschiede zu erfahren. Die Preise sollten offen auf den Tisch gelegt werden. Unsere schlanken Strukturen und niedrigen Verteilungskosten ermöglichen es uns, super Preise anzubieten, ohne dabei die Bauern zu belasten.


«Wir arbeiten mit eigenständigen Bauern.»

Jérôme Meyer


Welche Massnahmen ergreift Aldi Suisse konkret, um die nachhaltige Landwirtschaft in der Schweiz zu fördern und sicherzustellen, dass lokale Produzenten langfristig ihre Existenz sichern können?

Nachhaltige Produkte wie Bio und IP-Suisse müssen erschwinglich werden, damit sie nachgefragt werden. Unsere Bioprodukte sind ca. 30 % günstiger als vergleichbare der Mitbewerber. Diese Diskrepanz ist nicht gerecht. Die Produkte kosten mehr in der Erzeugung, aber nicht in der Verteilung. Wir müssen nachhaltige Produkte erschwinglich machen, damit die Nachfrage nicht sinkt und der Landwirt nicht der Leidtragende ist.

Wie gewährleisten Sie, dass Schweizer Produkte gegenüber importierten Waren Vorrang haben, und wie unterstützen Sie die Bauern dabei, ihre Produktion nachhaltig zu gestalten?

Die Antwort ist klar: IP-Suisse und Bio Suisse bieten nachhaltige Lösungen für die Landwirtschaft. Die Bevölkerung will nachhaltige Produkte, aber die Bauern stehen oft unter Druck. Wir sehen uns in der Pflicht, Lösungen zu finden, um die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten zu steigern und die Bauern bei der Umstellung ihrer Produktion zu unterstützen.

Welche Anforderungen stellt Aldi Suisse an die Qualität der von Schweizer Bauern gelieferten Produkte, und welche Unterstützung bietet das Unternehmen, damit diese Standards erreicht werden können?

Qualität ist für uns das A und O. Der tiefste Preis muss mit hoher Qualität einhergehen – das ist die Kunst. 50 % unseres Sortiments stammen aus der Schweiz. Die Landwirte, die mit uns arbeiten, bringen neue Ideen und Technologien ein, und das ist fantastisch.

Wie sorgen Sie dafür, dass die Herkunft und Produktionsweise der von Schweizer Bauern gelieferten Produkte transparent und für die Konsumenten nachvollziehbar ist?

Wir haben zwei starke Pfeiler – die Regionalproduktlinie «Saveurs Suisses» und die Biolinie «Retour aux Sources». Dabei ist es uns wichtig, dass der Profit in die Region zurückfliesst und bei «Retour aux Sources» die Rückverfolgbarkeit bis zu den Bauernhöfen gewährleistet ist. Vertrauen und Transparenz sind uns wichtig. Wir setzen darauf, dass die Bauern als Testimonials fungieren und so die Qualität und Herkunft der Produkte garantieren.

Bietet Aldi Suisse den Schweizer Bauern langfristige Verträge oder Partnerschaften an, die ihnen Planungssicherheit geben und ihre Existenz sichern?

Ja, wir haben Partnerschaften, die bereits seit unserem Start in der Schweiz bis zur Gegenwart reichen. Die Bauern, die den Mut hatten, trotz des Druckes der Mitbewerber zu Aldi zu wechseln, sind die wahren Säulen unseres Geschäfts. Wir glauben an langfristige Beziehungen, ohne in die Betriebe selbst zu investieren, wie das zum Beispiel von unseren Mitbewerbern im Bereich des Geflügels gemacht wird. Bei uns bleibt der Bauer eigenständig und hat gleichzeitig die Sicherheit, dass wir seine Produkte abnehmen.


«Der Labeldschungel ist ein Problem.»

Jérôme Meyer


Was denken Sie über die vielen Labels?

Der Labeldschungel ist ein Problem, denn zu viele Labels verwirren nur. Labels wie die Bio-Knospe und IP-Suisse haben in der Schweiz eine starke Aura. Wir setzen uns dafür ein, diese Labels zu legalisieren, damit sie bei allen Detailhändlern erhältlich sind. So könnte man am Markt auf einige wenige wichtige reduzieren und das volle Potenzial auszuschöpfen.

Wie positioniert sich Aldi Suisse gegenüber anderen Detailhändlern wie Coop und Migros, die tief in der Schweizer Landwirtschaft verwurzelt sind?

Historisch gesehen haben die beiden Grossen die Schweizer Landwirtschaft stark geprägt. Wir wollen und können das nicht nachbauen. Unser Kontakt zu den Bauern ist aber sehr gut, und wir sehen darin keinen Nachteil. Lediglich im Bereich des Geflügels haben wir etwas weniger Zugang, aber das ist die Ausnahme.

Können Sie uns das genauer erklären?

Die Unternehmen mit integrierten Prozessen stellen oft die Futtermittel und setzen die Produktionsbedingungen fest. Die Landwirte, die in diesem System arbeiten, sind vertraglich gebunden und züchten die Tiere nach den Vorgaben dieser Unternehmen. Im Gegenzug garantieren diese Abnahmen und stabile Preise für die Geflügelproduktion. Wir verzichten auf eine solche vertikale Integration und arbeiten eher mit eigenständigen Bern zusammen, wobei der Fokus auf partnerschaftlicher Zusammenarbeit liegt, ohne dass die Landwirte in eine Abhängigkeit geraten.

Welche konkreten Ziele haben Sie denn beim Poulet?

Wir möchten langfristig 100 % unseres Frischfleischs in der Schweiz beziehen und nicht mehr im nahen Ausland.

Welche Rolle spielen Innovationen und neue Technologien in der Landwirtschaft für Sie?

Innovation und neue Technologien sind für uns zentral. Wir unterstützen Bauern bei neuen Ansätzen, beispielsweise in der Tierhaltung oder bei Fleischersatzprodukten. Anfangs sind die Mengen noch klein, aber wir nehmen gute Ideen gerne auf und entwickeln sie weiter.

Wie beeinflussen politische Vorgaben, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und fairer Handel, die Zusammenarbeit mit Schweizer Bauern?

Wir machen keine Politik, aber wir sind ein pragmatisches Unternehmen, das fest in der Schweiz verwurzelt ist. Es ist uns wichtig, dass es den Bauernfamilien gut geht. Der administrative Aufwand sollte reduziert werden. Mehr Labels bedeuten mehr Papierkram. Wir setzen uns dafür ein, dass der Detailhandel den Papieraufwand übernimmt, um die Landwirte zu entlasten.

Wie stellen Sie sich das vor?

Es gibt bekanntermassen entlang der Wertschöpfungskette viele Redundanzen bei den Kontrollen. Die ganze Branche, von Produzenten über den Verarbeiter bis zu den Grossverteilern, sollte bestrebt sein, die Kontrollpunkte möglichst effizient zu gestalten und dort ansiedeln, wo möglichst viele Punkte zusammenfliessen.

Welche Rolle spielen die Anliegen der Schweizer Bauern bei Ihrem bevorstehenden Auftritt bei Brennpunkt Nahrung in Luzern, insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen, denen sie durch den Detailhandel ausgesetzt sind?

Bei Brennpunkt Nahrung werde ich besonders auf unsere Biolinie und Regionalprodukte eingehen. Die Wachstumszahlen bei diesen Produkten sind beeindruckend. Wir müssen die Preise für nachhaltige Produkte senken, damit sie stärker nachgefragt werden. Wenn wir das tun, wird die Schweizer Bevölkerung diese Produkte auch kaufen. Unser Ansatz ist es, hochqualitative Produkte zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Nur so kann eine nachhaltige Produktionsweise gefördert werden.